BGH zur Räum- und Streupflicht des Vermieters

Sachverhalt und Prozessverlauf: Die Beklagte ist Eigentümerin eines Anwesens in München, in welchem eine Wohnung an die Ehefrau des Klägers vermietet war. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass die Räum- und Streupflicht (Winterdienst) für den Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten grundsätzlich bei der Stadt München liegt.

Am 17. Januar 2010 stürzte der Kläger beim Verlassen des Wohnhauses auf einem schmalen von der Streithelferin nicht geräumten Streifen des öffentlichen Gehwegs im Bereich des Grundstückseingangs vor dem Anwesen der Beklagten. Hierbei zog er sich Frakturverletzungen am rechten Knöchel zu. Die Stadt hatte den Gehweg mehrfach geräumt und gestreut, wenn auch nicht auf der ganzen Breite und auch nicht bis zur Schwelle des unmittelbar an den Gehweg angrenzenden Anwesens der Beklagten. Die Beklagte wiederum hatte keine Schneeräumarbeiten auf dem Gehweg vorgenommen, weil sie ihrer Meinung nach dazu nicht verpflichtet war.

Die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes, eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall gerichtete Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

 

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht (als Anlieger) die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, regelmäßig nicht verpflichtet ist, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.

 

Zwar ist ein Vermieter aus dem Mietvertrag (in dessen Schutzbereich der Kläger als Lebensgefährte der Mieterin einbezogen war) verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Mietobjekt zu gewähren. Dazu gehört es, die Wege vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten.

 

Vorliegend ist der Kläger allerdings nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter seinen Mietern gegenüber obliegende (vertragliche) Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich jedoch auf den Bereich des Grundstücks. Entsprechendes gilt für die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde nicht auf die Eigentümer (Anlieger) übertragen ist. Im Streitfall lag die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen bei der Stadt und nicht bei der insoweit vom Winterdienst befreiten Vermieterin.

Das Berufungsgericht hat es daher mit Recht als zumutbar angesehen, mit der gebotenen Vorsicht den schmalen, nicht geräumten Streifen des Gehwegs zu überqueren, um zu dem durch die Stadt von Schnee und Eis befreiten Bereich zu gelangen. Der Senat hat die Revision des Klägers deshalb zurückgewiesen.

 

Urteil vom 21. Februar 2018 - VIII ZR 255/16 Vgl. Pressestelle des Bundesgerichtshofs