Kein gewohnheitsrechtliches Wegerecht trotz jahrzehntelanger Duldung durch Nachbarn

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24.1.2020 entschieden, dass im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn ein Wegerecht nicht aufgrund Gewohnheitsrechts allein durch eine jahrzehntelange Übung entstehen kann. Außerhalb des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur durch schuldrechtliche Vereinbarung oder als Notwegrecht bestehen.

Die Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegender Grundstücke, die mit drei aneinandergrenzenden Häusern bebaut sind. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich nicht genehmigte Garagen. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger die Garagen und die rückwärtigen Bereiche Grundstücke erreichen. Eine Nutzung des Weges wurde seit Jahrzehnten geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 erklärte die Beklagte die "Kündigung des Leihvertrages über das vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht".

 

Die Kläger können sich laut BGH nicht auf Gewohnheitsrecht für die fortgesetzte Nutzung berufen. Gewohnheitsrecht entsteht zwar durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Es kann aber als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn. In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn.

 

Es wird aber zu prüfen sein, ob den Klägern gemäß § 917 Abs. 1 BGB ein Notwegrecht zusteht. Dagegen spricht indes, dass die im hinteren Bereich der Grundstücke der Kläger befindlichen Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig sind. Soweit die Grundstücke gewerblich genutzt werden, kommt ein Notwegrecht hingegen grundsätzlich in Betracht, da bei einem Gewerbegrundstück etwa Be- und Entladevorgänge sowie das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem verbindungslosen Grundstücksteil für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich sein und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforderlich machen können.